Narzissten sind Persönlichkeiten, die ihren Mitmenschen das Leben mit “Double Bind” zur Hölle machen können: Egal, was Du tust, es wird das Falsche sein.
Wie man Narzissten erkennt — und sich vor ihnen schützen kann.
Beim ersten Kennenlernen sind sie einfach umwerfend: ein Märchenprinz (oder eine Prinzessin), verführerisch, charmant und aufmerksam. Wer diesen Reizen nicht erliegt, muss blind, taub und völlig gefühllos sein.
Oder ein gebranntes Kind.
Denn der schöne Schein trügt.
Sobald die erste Phase des Verliebtseins vorbei ist und der (Beziehungs-) Alltag beginnt, wird es Narziss schnell zu langweilig oder zu eng.
Narzissten haben eine Persönlichkeit, die das Leben ihrer Umgebung, vor allem aber das ihrer Partnerinnen und Partner, zum Albtraum werden lässt.
Sie sind geübte Manipulatoren und beherrschen das Spiel mit Zuckerbrot und Peitsche perfekt — immer auf der Suche nach Aufregung und Abenteuer, um ihre innere Leere zu bekämpfen.
“… Von jeher hatte ich immer das Gefühl, ich müsste mir jede Zuwendung mit großer Anstrengung erkämpfen, und gleichzeitig war ich immer auf Demütigungen und Absagen gefasst.
Ich war mir sicher, dass die Welt nur so funktionieren konnte, für mich und für alle anderen Menschen auch. Instinktiv hatte ich immer wieder die gleichen Situationen und Menschen angezogen, die mir diese Sicht mit ihrem Verhalten bestätigten, und erhoffte trotzdem von ihnen eine Wiedergutmachung und Heilung und die lang ersehnte Wertschätzung. Doch sobald mich jemand achtete, erlosch mein Interesse, ich ertrug die Fürsorge nicht. ”
AUS: Sandra Konrad, Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten*
Typische Eigenschaften von Narzissten
In der griechischen Mythologie ist Narziss der schöne Sohn des Flussgottes Kephissos, der beim Versuch, sein Spiegelbild in einem Teich zu küssen, ertrinkt.
Auch im Hier und Heute sind Narzissten meistens Männer. Narzissmus wird häufig mit krankhafter Eigenliebe umschrieben. Tatsächlich hat Narzissmus überhaupt nichts mit Liebe zu tun — auch nicht mit Eigenliebe.
Und im Gegensatz zur griechischen Mythologie sind es nicht die Narzissten, die baden gehen, sondern die Menschen, die das Pech haben, einen Narziss zu lieben.
Narziss
- ist auf den ersten Blick faszinierend, intelligent und verführerisch.
- urteilt schnell und provoziert gerne.
- ist unberechenbar. Ihm macht es Spaß, andere zu überraschen.
- möchte unentbehrlich und einzigartig sein. Wird ihm dieses Gefühl nicht zugestanden — macht jemand möglicherweise sogar Anstalten, ihn zu beurteilen oder auch nur einem Hauch von Kritik zu üben, — reagiert ein narzisstisch veranlagter Mensch mit Ablehnung und Wut.
- kann sich über Kleinigkeiten maßlos aufregen.
- wertet andere ab, um sich selbst aufzuwerten. Narzissten erkennen intuitiv die Schwachstellen ihres Gegenübers und hacken gerne darauf herum.
- mag es, wenn sich andere schwach zeigen, damit er ihnen zur Hilfe eilen und sich als unentbehrlich und überlegen präsentieren kann.
- hält seinen Besitz, seine Hobbys und seine Vorlieben für nicht zu übertreffen, allein weil sie ‚seins‘ sind. Alles, was er hat und ist, wird zur Erweiterung seines Ichs; deshalb gibt es in seinen Augen auch keine andere, gleichwertige oder sogar bessere Alternative, auch wenn objektive Gründe dafür sprechen.
- gibt sich gerne kritisch. Auf Partnerinnen, die ihm zu stark sind, geht er los, um sie zu schwächen. Wird die Frau an seiner Seite allerdings zu schwach, interessiert er sich nicht mehr für sie und verlässt sie.
- hat Angst vor Nähe. Manchmal bricht er eine Beziehung schlagartig ab, weil sie ihm zu eng wird. Bleibt er in einer Beziehung, möchte er umsorgt und umhegt werden und erwartet, dass seine Partnerin sich seinen Wünschen anpasst. Alltag langweilt und frustriert ihn, zur Not inszeniert er Krisen, um überhaupt etwas empfinden zu können. Wenn Narziss keine Anregung hat und er sich gelangweilt fühlt, wird es für seine Mitmenschen schwierig.
- schafft es, seine Partnerin(nen) in einer sogenannten „Double-Bind-Situation“ festzuhalten: „Egal, was Du tust – es ist das Falsche!“
Narzissten sind Manipulatoren
Manipulation ist der klügste Schachzug, den man machen kann, wenn man etwas von anderen will. Durch Druck oder Belohnung kann man Menschen zwar kurzfristig dazu bringen, ihr Verhalten zu ändern, aber das wird nicht von Dauer sein.
Denn die Pistole an unserer Brust oder der Sack voller Geld, den wir bekommen, wenn wir etwas tun, was wir eigentlich n i c h t tun wollen, weckt in uns auch immer unseren Widerspruchsgeist. Spätestens wenn Pistole oder Geldsack weg sind, werden wir wieder das tun, was wir für richtig halten.
Wir alle reagieren auf Zwang und Kontrolle sehr sensibel. Denn wir hassen es, kontrolliert oder gedrängt zu werden.
Ist der Druck zu groß, werden wir misstrauisch, fühlen uns belästigt, ärgern uns und pochen darauf, unsere Wahlfreiheit zu behalten.
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Wer das Herz und den Verstand eines Menschen langfristig gewinnen möchte und Verhaltensweisen dauerhaft ändern will, muss sein Gegenüber manipulieren, ohne zu sehr zu drängen.
Denn: Clever eingefädelte Manipulationen erkennen wir meistens nicht einmal.
Das ist die Begabung der Narzissten: Sie sind hervorragende Manipulatoren.
Sie schaffen es, andere so zu beeinflussen, dass die Dinge tun, die ihnen eigentlich fremd sind und vielleicht sogar schaden. Für eine narzisstische Persönlichkeit verändern sich die, die sie lieben, ohne Zwang und ohne Kontrolle, sondern mit dem Gefühl, sich aus freien Stücken dazu entschlossen zu haben. Einfach aus Liebe.
Die Ursachen von Narzissmus
Jeder von uns trägt narzisstische Züge in sich. Narzissmus ist für Babys sogar eine normale und überlebenswichtige Strategie, denn sie brauchen eine (möglichst) sichere Bindung zu einer Bezugsperson, um überhaupt überleben zu können.
Sie müssen Mama und Papa dazu bringen, ihr Leben auf sie abzustimmen, andernfalls könnten sie die ersten hilflosen Baby- und Kleinkindjahre nicht überstehen.
Jeder, der eigene Kinder hat, weiß, wie gut diese Manipulation funktioniert: Durchwachte Nächte, nicht mal Zeit für eine Dusche, ganz abgesehen von freien Abenden allein oder zu zweit für Kino- oder Konzertbesuche.
In den ersten Lebensjahren ist jedes Kind sein eigenes kleines „Ego-Zentrum“, um das alle anderen – vor allem: Mama! – kreisen sollen.
Es macht auf sich aufmerksam, was ganz natürlich ist.
Das ist eine sinnvolle und bei Kindern akzeptierte Strategie, die verhindert, dass sie sich verschreckt zurückziehen, anstatt sich hinauszuwagen, um von ihrer Umwelt zu lernen.
- Unangenehm und zur Persönlichkeitsstörung wird Narzissmus erst, wenn Menschen in dieser Phase stecken bleiben; wenn sich Egozentrik und Eigenliebe ins Grenzenlose steigern und zur einzigen Form des Wohlbefindens werden.
Ein Erwachsener mit einem inneren Kind, das sich unsicher, schwach oder unterlegen fühlt, wird zum Schreihals, Aufschneider oder Angeber, um auf sich und seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen, wenn er nie gelernt hat, sich auf eine erwachsene Art mit seinen unangenehmen Gefühlen auseinanderzusetzen.
Und genau das ist bei narzisstisch veranlagten Menschen der Fall.
Narzissmus in der Liebe
Auch wenn man sich mit ihm die Köpfe heißdiskutiert oder alles tut, um ihn zufriedenzustellen: Für die Bedürfnisse, Vorlieben und Nöte ihrer Mitmenschen haben Narzissten nicht genug Empathie.
Narziss kann weder gut zuhören noch ist sein Verhalten darauf ausgelegt, eine positive “Win-Win” Situation für sich und seine Partner(in) zu finden: Er will von anderen profitieren und verschafft sich durch Verführung und Manipulation Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Zu seinen Gunsten. Nur zu seinen Gunsten. Nicht aus Böswilligkeit, sondern weil er (oder sie) nicht anders kann.
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In einer Beziehung hält Narziss nach allen Regeln der Manipulation die Flamme auf der niedrigsten Stufe und gibt gerade so viel, dass der Partner oder die Partnerin nicht enttäuscht das Handtuch wirft. Im Gegenzug vollbringt sie selbst Höchstleistungen, um ihren vermeintlichen Prinzen gnädig zu stimmen.
Denn den “Fehler” in ihrer Beziehung — das ist das Fatale solcher Verbindungen — sucht sie immer bei sich selbst.
“… das grundlegende Problem von Menschen mit einer narzisstischen Störung liegt an ihrem Mangel an echter Selbstliebe.
Diese fehlende Liebe bewirkt, dass sie auf emotionaler Ebene so angespannt und hilflos sind, so wehrlos angesichts auch nur des geringsten Widerspruchs, dass sie sich äußerst unwohl fühlen — in solchem Maße, dass sie ihre Schattenanteile und/oder Spannungen auf die Umgebung abwälzen oder projizieren müssen; oder aber sie machen sich selbst etwas vor und stellen sich auf ein Podest, um eine Pseudo-Selbstachtung zu wahren.”
AUS: Anne van Stappen, Das kleine Übungsheft: Mit schwierigen Zeitgenossen umgehen*
Herzliche Gesten oder Handlungen machen Narzissten Angst, denn emotionale Nähe birgt für sie das Risiko des Kontrollverlustes.
Kontrolle ist für Narzissten deshalb außerordentlich wichtig. Jede Situation muss unter allen Umständen im Griff behalten werden; sich zu öffnen, bedeutet für sie Schwäche und schürt ihre Sorge, in die Defensive geraten zu können.
Kann man einen Narzissten retten, heilen oder ändern?
Narzissten neigen dazu, ihre innere Unruhe und Leere auf andere zu projizieren, um sich besser zu fühlen. Falls es notwendig ist, inszenieren sie sogar Krisen, um die Oberhand zu behalten.
Streit, Tränen und schließlich doch wieder Versöhnung füllt ihre innere Leere; Auseinandersetzungen sind das Ventil für ihre eigenen Sorgen und Ängste und zeigen ihnen außerdem, wie viel Macht sie über andere haben.
Narzisstisch veranlagte Menschen sind in ihrem Inneren tief verletzt, wollen davon aber nichts wissen.
- Der größte Unterschied zwischen einem „normalen“ Menschen und einem neurotischen Narzissten liegt in ihrer Kritik- und Lernfähigkeit.
Neurotiker – zu denen auch Narzissten gehören – reagieren stur mit immer ein und demselben Verhaltensmuster, während „Normale“ situationsangepasst agieren. Sie ändern ihr Verhalten, sobald ihre herkömmlichen Verhaltensweisen sie nicht weiterbringen.
Denn um überhaupt weiterzukommen und dazulernen zu können, müssen wir bereit sein, uns mit uns selbst und unserer Umwelt kritisch auseinanderzusetzen.
Zum Erwachsenwerden gehört auch die Fähigkeit, anzuerkennen, dass nicht immer „die Anderen“ schuld sind, wenn etwas schiefläuft.
Unterm Strich also: Ehrlichkeit, Selbstreflektion und auch Selbstkritik da, wo sie angemessen ist. Genau das können Narzissten nicht: Sie fühlen sich als Opfer und versuchen, andere in ihrem Sinn zu manipulieren. Sie sind unbelehrbar und emotional in ihrer Kindheit steckengeblieben.
Meistens haben Narzissten keinen Leidensdruck, sie finden sich völlig in Ordnung, so wie sie sind. “Schuld” sind bekanntlich immer die anderen.
Der Ausweg aus einer toxischen Beziehung
Die Rollen in einer manipulativen Beziehung sind immer klar verteilt: einer, der handelt, und einer, der sich behandeln lässt; ein Manipulierender und ein Manipulierter.
Aber niemand ist gezwungen, sich an dieses Drehbuch zu halten: Zu einer (Liebes-)Beziehung gehören bekanntlich immer zwei. Um (s)ein Drama stricken zu können, braucht Narziss ein Opfer.
Sobald man sich entscheidet, das schmerzhafte Spiel eines Narzissten nicht mehr mitzuspielen, gibt es auch kein Spiel mehr.
Wenn es kein Opfer mehr gibt, kann es auch keine narzisstischen Manipulationen mehr geben.
“… Ein Stopp kann sein, endlich klar Nein zu sagen. Das lernen wir immer dann, wenn wir wieder in Kontakt mit uns selbst sind und wieder unsere eigenen Bedürfnisse fühlen. Wir sind dann auch nicht mehr andauernd beschäftigt damit, es anderen recht zu machen, sondern spüren wieder, wann es sich nach einem Nein anfühlt. Trennungen verursachen Schmerzen. Aber wenn wir uns über andere definieren und unseren eigenen Wert nicht mehr spüren, ist die Verletzung besonders groß, weil der Selbstwert leidet.”
AUS: Andrea Weidlich, Wo ein Fuck it, da ein Weg: Wie plötzlich alles möglich wird, wenn du aufhörst, es allen recht zu machen*
Narzissmus ist eine Chance.
Nicht für den Narzissten, der sich nur äußerst selten von seinem Weg abringen lässt, sondern für diejenigen, die unter einem Narzissten leiden.
Es ist ein langer und steiniger Weg, mit Höhen und Tiefen und vielen Rückschlagen. Aber er ist möglich.
Jeder Mensch darf ein scheinbar vorgegebenes Drehbuch verlassen, um zu wachsen. Dafür muss man niemanden um Erlaubnis bitten. Auch wenn Narziss das sicherlich gerne hätte.
Copyright: Agentur für Bildbiographien, www.bildbiographien.de, 2016 (überarbeitet 2024)
Lesen Sie im nächsten Beitrag: People Pleasing ist der Drang, es allen anderen recht zu machen. People Pleaser sind sehr empathische und hilfsbereite Menschen, die alles tun, damit es anderen gutgeht – bis sie nicht mehr können. Woher die Neigung zum People Pleasing kommt, welche Folgen es für Betroffene hat und welche Strategien helfen können, öfter „Nein“ zu sagen.
People Pleasing: Es allen anderen recht machen
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Bildnachweise:
Agentur für Bildbiographien
„(Sie müssen Mama und Papa dazu bringen, ihr Leben auf sie abzustimmen, andernfalls könnten sie die ersten hilflosen Baby- und Kleinkindjahre nicht überstehen.)
Jeder, der eigene Kinder hat, weiß, wie gut diese Manipulation funktioniert: Durchwachte Nächte, nicht mal Zeit für eine Dusche, ganz abgesehen von freien Abenden allein oder zu zweit für Kino- oder Konzertbesuche.
In den ersten Lebensjahren ist jedes Kind sein eigenes kleines „Ego-Zentrum“, um das alle anderen – vor allem: Mama! – kreisen sollen.“
-Gefährlich veraltete und falsche Ansichten! Babies haben noch keinerlei Ego entwickelt und manipulieren auch nicht, sie befinden sich noch in völliger Abhängigkeit und begreifen sich als Einheit mit der Mutter, nur durch Schreien können sie vermeiden dass ihre Grundbedürfnisse nach Nahrung, Zuneigung etc erfüllt werden, wer der Meinung ist ein Baby ab und zu mal schreien lassen zu müssen damit es ihm nicht auf der Nase herumtanzt, kann es hiermit in eine schwere Todesangst versetzen.
Das Verständnis einen eigenen Körper zu besitzen entwickelt sich dann mit zwei, drei Monaten, die Entdeckung der eigenen Person, des eigenen Willen und der Feststellung der eigenen Wirkungskraft vollzieht sich noch über längere Zeit später bis zu zwei Jahren.
Gerne nachschlagen unter zb:
Selbstwahrnehmnung und Ich-Entwicklung beim Kind.
Lieben Dank für Deinen Kommentar!
Dass Babys ‘kleine Narzissten’ sind, ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern die Meinung von Entwicklungspsychologen und ‑psychologinnen — wobei ‘Narzissmus’ in diesem Fall nicht wertend gemeint ist. Es ist eine Überlebensstrategie, und in uns allen steckt aus dieser Zeit noch ein Rest Narzissmus, der nicht per se ’schlecht’ ist.
Nur wer in dieser Phase steckenbleibt und als Erwachsener die gleiche Überlebensstrategien wie Babys anwendet, hat ein Problem bzw. schafft Probleme für andere.
Dass die veralteten Strategien wie ‘einfach schreien lassen’ oder ‘ein gepflegtes Kind riecht nicht’ katastrophale Folgen für die Betroffenen haben, ist z.B. in https://generationen-gespräch.de/zwischen-drill-und-misshandlung-johanna-haarers-die-deutsche-mutter-und-ihr-erstes-kind/ nachzulesen.
Liebe Grüße!